DNA-Straenge als "Nano-Maschine"


Foto: RedemundIm Sommer 2000 war die Entdeckung der DNA-Stränge als molekulare Pinzette von Andrew Turberfield aus Oxford und einem Team der Bell Laboratories Titelgeschichte des britischen Magazins "Nature". Das Titelblatt der renommierten Wissenschaftszeitschrift zeigte Turberfield auch stolz bei seinem Vortrag am Dresdner Max-Planck- Institut für Physik komplexer Systeme. Die Doppelstränge der DNA sehen aus wie In der Mitte durchtrennte Leitern. Dem Turberfield-Team gelang es, durch Hinzufügen von Strängen, die Pinzette sich öffnen und schließen zu lassen. Optimisten glauben, dass aus dieser "Nano-Maschine" in weiter Zukunft integrierte Schaltungen gebaut werden könnten. Doch bislang verbraucht die Pinzette nur Treibstoff, tut noch nichts zielgerichtet.
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Von RALF REDEMUND
Dresden (Eig.Ber.). Der Arm dieser Pinzette ist ganze sieben Nanometer winzig - schier unvorstellbare sieben Millionstel Millimeter. Mit dieser nanokleinen" Pinzette könnte man Atome herauspicken. Doch das Forscherteam der Bell Laboratories und der Oxford University will mehr: Ziel ist der Chip von Übermorgen, der sich selbst an- treibt. Dann würden 30 Billionen dieser Nano-Geräte in einem Wassertropfen Platz finden. Wer hier ungläubig mit dem Kopf Schüttelt, kann sich mit namhaften Forschern einig fühlen. Als Andrew Turberfield von der Oxford University diese Ideen am Wochenende am Dresdner Max-Planck-lnstitut für Physik komplexer Systeme vorstellte, teilte er die rund 55 Spitzenforscher auf dem Gebiet der "Molekularen Elektronik" wohl fast zu gleichen Teilen in Anerkenner und Kritiker. Zu utopisch klang das. was der Engländer vortrug und als möglichen Baustein für die nächste Generation von Mikroprozessoren vorstellte.


Molekulare Pinzette
Die Anregung zum Bau einer molekularen Pinzette kam dem Physiker Bernard Yurke von den Bell Labs. In lebenden Organismen sorgen "Maschinen" aus Proteinen. also aus Aminosäuren aufgebaute Eiweißstoffe, für Kontraktionen der Muskeln und den Transport von Substanzen in der Zelle. Diese "Maschinen" aus DNA - der Desoxyribonukleinsäure, dem Träger der genetischen Information - ähneln mo- torisierten" Pinzetten. die 100000mal kleiner sind als ein Stecknadelkopf. Yurkes Uberlegung: Könnte man sich das DNA-Prinzip zu nutze machen, ließen sich tausendmal leistungsfahigere Systeme als heute herstellen. Eine durchaus verlockende Vorstellung. Wie jeder noch aus dem Biologie-Unterricht weiß. besteht die DNA aus einem Doppelstrang (genau jene Helix, die dem Bau der Tschira-Stiftung auf dem Waldschlößchen-Areal als Vorbild dient}. Dieser Doppelstrang ähnelt einer verdrehten Leiter. Man habe die Arbeiten mit drei einzelnen Strängen (A. B. C} begonnen, die jeweils einer in der Mitte durchtrennten Leiter glichen. Strang A hatte die DNA-Sequenz. die jeweils zu einer Hälfte zu Strang B und zu Strang C passte. Somit konnten die Stränge B.und C verbunden werden. Strang A verfugte zudem uber eine Art Scharnier zwischen den Strängen, die B und C miteinander verknüpften. Folge: Die Pinzetten-Arme AB und AC wa- ren frei beweglich- Fügte man nun eine Art DNA-Brennstoffstrang hinzu, so Turberfield, hinge er sich an die freien Abschnitte der Stränge B und C - und verbinde sie. Fügt man an diese geschlossene molekulare Pinzette wieder einen Brennstoffstrang mit der passenden DNA-Sequenz, öffnet sich die Pinzette wieder. "Die Pinzette lassen sich also wiederholt öffnen und schließen, indem man nacheinander Stränge hinzufügt, die entweder als Brennstoff dienen oder diese Brennstoffstränge wieder binden", sagte Turberfield, ohne jedoch - wohl ein Betriebsgeheimnis - genau zu erklären, wie sein Team diese Stränge in ihrem Sinne manipulieren konnte. Beobachten ließ sich dieses Phänomen allerdings nicht direkt, weil die DNA-Maschinen für herkömmliche Mikroskope zu klein sind. Stattdessen nutzen die Forscher den Fluoreszenzeffekt, um das Offnen und Schließen der DNA-Strukturen zu beobachten. An die Enden der Stränge waren Färbemolekülle befestigt. Durch Laserlicht erregt, lässt sich mittels der Menge des entstehenden fluoreszierenden Lichts der Abstand zwischen den Enden ermitteln. Wenn gelingt, was den Forschern vorschwebt, steht eine Revolution ins Haus. Bereits jetzt arbeiten die Forscher in den Bell Labs daran, DNA- Strukturen an elektrisch leitenden Moleküllen zu binden und damit rudimentäre elektronische molekulare Schaltungen zu entwickeln. Die Bell Labs (Lucent Technologies) vertreten die Ansicht, dass mit diesen Nano-Geräten Computerchips mit bis zu einer Milliarden Transistoren möglich sind. Heute rechnet man in der Halbleiter - Technologie "nur" mit Millionen. "Die DNA- Technologie hat das Potenzial, die bestehenden Produktionsmethoden für integrierte Schaltungen zu ersetzen" , weist Turberfield die Richtung.

Elektronik der Zukunft
Turberfield und Dr. Klaus Richter vom Dresdner MPI verweisen auf das Mooresche Gesetz. Seit 1970 verdoppelt sich die Zahl der Transistoren pro Quadratzentimeter etwa alle 12 Monate. Heute ist man schon bei winzigen Strukturen zwischen 100 und 200 Nanometern. "Innerhalb der nächsten 15 Jahre stoßen wir an unsere Grenzen, an eine Mauer", so Turberfield. Und dann könnte die Stunde der "molekularen Elektronik" schlagen.